Über die Verwendung von Schiefer meint ein Handwerker...

Sie sollten das Fachwerk aufdoppeln, also auf das vorhandene alte Fachwerk das neue aufsetzen. Das Haus hat ein Gesicht, es hat eine Struktur. Das Fachwerk selbst hat eine Funktion, ist keine Konfektion, keine Kosmetik. Wenn die Mauern zu dünn sind, ist es doch noch besser. Also sie sollten es aufdoppeln, dann könnten die Fächer, Gefache!, also dann könnten die Gefache weiß ausgemalt werden und dazu als Kontrast das neue Schieferdach, verdammt, das würde gut aussehen.
Also ein weißes Fachwerkhaus zu jener Zeit, ein Fachwerkhaus ist damals nie gewollt worden. Das ist doch nur ein Einfachfachwerk, das nur noch den statisch erforderlichen Querschnitt hat und nicht mehr die alte, schöne Breite der Ständer. Aber ist es überhaupt ein richtiges Fachwerkhaus? Ja, es ist ein Fachwerkhaus, auch innen. Also dieses Haus ist ganz und gar aus Fachwerk. Innen sieht man nur nichts mehr davon. Es wurden nur dünne Ständer verwendet, maximal 14 x 14, und in den Innenwänden sind sicherlich nur Ständer mit einem Querschnitt 12 x 12, also eine Ziegeltiefe. Kann man doch sehr schön ausmauern innen. Diese Hölzer sind doch aber sehr ruppig und zum Teil sogar drehwüchsig. Das sieht doch toll aus! Nein, das sieht furchtbar aus!
Urwüchsig ist nur ein Fachwerk, was also wirklich noch von einem Zimmermann gemacht wurde. Dieses hier kam doch aus der Sägemühle, das sind ganz dünne Streichhölzchen, die haben einfach kein Format und keine Proportion!
(So dünn fand ich die aber gar nicht!)
Man täuscht sich einfach! Wenn man aber direkt daneben steht und diese dünnen Stängelchen dann sieht, dann weiß man, daß es kein schönes Fachwerk ist. Hinzu kommt, daß die Riegel nicht richtig eingeschnitten sind. Da sind große Fugen, also dieses Fachwerk ist einfach lächerlich. Aber wenn sie es verblenden würden, dann wäre es doch nur ein Abbild. Das stimmt und hinzukommt, daß ein Schieferdach heutzutage einfach unbezahlbar ist. Alleine, um den Ort einzubinden, da sitzt ein Geselle am laufenden Meter bestimmt seine vier Stunden. Die einzelnen Schindeln werden alle am Ort zugeschlagen.
Und das ist so teuer?
Das kann heute keiner mehr bezahlen! Bei dem Stundenlohn! Ich nehme an, daß ein guter Schieferdecker mindestens 60 Mark nimmt. Aber da würde doch Geld gespart, wenn Sie die Fassade nicht abhängen würden. Jedenfalls da hilft alles nicht, gute Schieferarbeit muß heute bezahlt werden. Also ich würde mit Schiefer behängen. Aber es wird dann ziemlich gewaltig, weil man eine geschlossene Schale darunter bauen muß.
Aber dann keine altdeutsche Deckung?
Doch! Aber nur mit Schablone! Bei der Deckungsart muß man darauf achten, daß es möglichst keine Formate werden. Aber es sollte vor allem auch gutes Holz sein. Und dann muß man den Handwerkern auf die Pfoten sehen! Die pfuschen gern! Am besten, man würde das Holz verschrauben!
Wie viel teurer ist denn Schiefer?
Als eine einfache Verbretterung? Also das kostet ungefähr das Dreifache! Vor allem müssen die den Leuten auch wirklich sagen, daß sie kleine Formate nehmen sollen. Man muß das mal nachlesen. . Vom Werk oder vom Großhandel bekommt man Schiefer in einer bestimmten Sortierung, also mit großen und kleinen Schiefern. Und allein auf die Sortierung kommt es an. Zum Teil werden diese schon maschinell gemacht und nicht mehr mit der Hand geschlagen. Oder sie nehmen große Formate, dann kann man auch einen Preis vereinbaren.
Auf diesem Foto ist eine Dachverschieferung zu sehen. Bei der altdeutschen Deckung läuft es mit leichter Steigung auf, da hat man schon mit dem Anfangsgebinde eine Menge Arbeit, bei einem Wandbehang wird es dann gekippt und da laufen die Fugen waagerecht. Das hat nicht den Charakter eines schräg laufenden Daches. Aber all das muß man gemeinsam mit dem Schieferdecker besprechen.
Und das hier, das macht dann also die meiste Arbeit?
Ja, die Orte einbinden. Und bei dem Einbinden wird es das Problem bei der Verschieferung dieser Fassade. Die Fenster stehen sehr eng beieinander. Dort muß man eingebundene Orte machen, überall, das wird sehr teuer. Und beim Aufdoppeln des Fachwerkes wird es an manchen Stellen auch kriminell, weil die Balkenköpfe zu einer Brotscheibe gemacht werden müssen. Die Balkenköpfe, das sind die Balken, die aus dem Haus hinauslaufen. Die sind in die Schwelle und in das Rähm eingebunden. Da muß man einen alten Balken finden und ihn in Scheiben schneiden. Das macht ein Handwerker ungern, aber es ist zu machen.
Dafür kriegt er doch aber eine Menge Geld! Die bauen doch noch viel schlimmere Sachen und leiden nicht. Also ich meine, so ein Fachwerk aufzudoppeln, das ist nicht so schlimm. Das muß sauber gemacht werden. Es darf nicht so sein wie „Hinter Ägidien“ in Braunschweig. Da hat doch einer aus Schiffssperrholz Fachwerk aufgedoppelt, aus lauter kleinen Brettchen…. Das hat dann nicht mehr die Lebendigkeit der alten Balken. Es reißt auch nicht mehr. Die Fugen bleiben ganz dicht. Es sieht ganz perfekt aus und langweilig. Es muß schon so, wie die Statik des Hauses ist, nachvollzogen werden bei der Aufdopplung, also mindestens eine Bohlenstärke. Aber dieses Haus hat doch auch schon eine gewisse Ehrwürdigkeit - drei Generationen. Es ist ein typisches Braunschweiger Fachwerkhaus um die Jahrhundertwende. Dazu gehört auch die Ausmauerung mit ganz einfachen Ziegeln. Geputztes Fachwerk hat es in dieser Zeit nicht gegeben. Man hat das Fachwerk ausgemauert, aber bündig, gerappt und dann gestrichen, als wäre es eine einzige Putzwand. Da wollte man diese Fachwerkzeichnung gar nicht sehen. Da wollte man eine geschlossene Fassade. Zum Beispiel im Klassizismus. Und diese gliederte man dann durch allerlei, durch umrahmte Fenster zum Beispiel. Warum hat man dann immer noch Fachwerk gebaut? Weil es billig war! Das sind ganz billige Häuser. Die Wände sind einen halben Stein dick. Sonst hätte man mindestens zwei Steine dick die Wände machen müssen, sollte das Steinhaus fest stehen. Also mindestens die doppelte Anzahl von Ziegeln. Und der Mörtel. Dann hätte man eine schwerere Konstruktion bauen müssen, denn unter diesem Fachwerk ist fast kein Fundament. Da liegen nur ein paar Steine. Das ist ein ganz simpel gebautes Haus, nur das Notwendigste. Auch das Dach, eine Mischung aus Kehlbalken- und Pfettendach, besteht aus sehr dünnen Querschnitten. Wenn die Hölzer jetzt innen freigelegt würden, dann sähe das lächerlich aus. Aber die Hölzer könnten durch Aufdoppeln etwas breiter gewählt werden, damit man gleich diese Schlitze zwischen Ausmauerung und Holz zubekommt. Das kann man auch machen. Aber an manchen Stellen wird es schlecht gehen. Da hätte man noch einen Viertelstein dazwischen. Also zwischen den beiden Ständern jeweils. Das ist sehr eng. Aber machen könnte man es schon.
Also mein Schiefer im Bad ist erstklassig! Wo er her ist? Aus Thüringen! Aber als Thüringen noch Thüringen hieß! Nein, aus den 50er Jahren. Aber zum Beispiel Harzer Schiefer, den gibt es schon lange nicht mehr. Der ist schnell erschöpft gewesen. Der rheinische Schiefer ist jetzt auch erschöpft. Die Schieferbetriebe im Osten haben auch dichtgemacht, weil das gesamte Bauwesen der DDR überhaupt kein Schiefer verwendet. Weil, das ist ihnen zu snobistisch, zu bürgerlich, zu ästhetisch!
Vielleicht auch einfach zu teuer?
Nein, das ist nicht die Frage des Teuerseins. Wenn die sich Schiebetüren aus Schweden heimlich mitbringen lassen von den Bauarbeitern hier. Warum? Weil es solche Türen bei uns nicht gibt, die man mit dem kleinen Finger bei zwei Zentnern so laufen lassen kann. Solche Leute wie Scheumann, und wie heißt der andere Idiot? Heynowski! Aber Schiefer?
Auch nicht für Dächer? Vielleicht im Nikolai-Viertel in Berlin?
Nix. Das Nikolai-Viertel ist im Grunde genommen der typische absolute DDR-Kitsch in Beton. Alles Ersatz.
In Berlin ist aber schon immer wenig Schiefer verbaut worden. Schiefer kam in Berlin auf so um die Jahrhundertwende, Jugendstil. Und zwar oben bei den ausgebauten Mansardengeschossen. Da hat man das letzte Geschoß, das war schon der Dachstuhl, außen verkleidet, die Senkrechten, und zwar mit Schiefer. Ich kenne überhaupt keine Neubauten bei uns, wo irgendwo mal Schiefer genommen wurde.

 
Publikation

H12 / 1989




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